BFH bestätigt: Keine Masseverbindlichkeiten ohne Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters bei Debitorenzahlungen im Antragsverfahren

Vereinnahmt der Insolvenzschuldner im Antragsverfahren Debitorenforderungen ohne Kenntnis und ohne Zustimmung des vorläufigen Verwalters auf seinem Bankkonto, so entstehen hieraus keine Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO

Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 4 InsO aus Umsatzsteuerverbindlichkeiten entstehen zu Lasten des vorläufigen Insolvenzverwalters nur im Rahmen seiner Befugnisse. Bezüglich der Entstehung der Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 4 InsO ist auf die Entgeltvereinnahmung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter abzustellen. Eine solche liegt vor, wenn das Insolvenzgericht Drittschuldnern die Zahlung an den Insolvenzschuldner verbietet, der vorläufige Verwalter zum Forderungseinzug ermächtigt ist und diese Forderung auf dem Sonderkonto des Verfahrens vereinnahmt.

Vereinnahmt der vorläufige Verwalter die Zahlung nicht im Rahmen des eingeräumten Rechts zum Forderungseinzug, entsteht eine Masseverbindlichkeit nur, wenn eine Vereinnahmung im Zusammenhang mit anderweitigen Rechtsbefugnissen des vorläufigen Verwalters vorliegt.

Dies ist der Fall, wenn der vorläufige Verwalter der Vereinnahmung von Drittschuldnerzahlungen auf dem Konto des Insolvenzschuldners zustimmt. Fehlt es an der Zustimmung des vorläufigen Verwalters, finden die §§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 , 24 Abs. 1, 81, 82 Anwendung. Leistet der Drittschuldner unter Anwendung der §§ 24 Abs. 1, 82 InsO schuldbefreiend an den Insolvenzschuldner, ist die durch den Insolvenzschuldner empfangene Leistung mit Zahlungseingang auf seinem Bankkonto abschließend umsatzsteuerrechtlich vereinnahmt. Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 4 InsO entstehen hieraus nicht, da § 82 InsO dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter keine Verfügungsbefugnis einräumt, sondern lediglich das Verhindern unwirksamer Verfügungen durch den Insolvenzschuldner ermöglicht. Die Wirkungen des § 82 iVm § 24 Abs. 1 InsO – schuldbefreiende Drittschuldnerzahlung und damit Verwirklichung des maßgeblichen Umsatzsteuertatbestandes – treten auch ohne Zutun des vorläufigen Insolvenzverwalters ein, sodass hieraus keine Verpflichtungen nach § 55 Abs. 4 InsO entstehen sollen.

Fordert der vorläufige Insolvenzverwalter die Übertragung des Banksaldos auf das Insolvenzsonderkonto des Verfahrens, entsteht auch hierdurch keine umsatzsteuerrechtliche Verpflichtung nach §§ 55 Abs. 4 InsO, da die Umsatzsteuerschuld bereits mit der zeitlich vorangehenden Vereinnahmung der umsatzsteuerrechtlichen Leistung zwischen Insolvenzschuldner und Drittschuldner entsteht.

Die Entscheidung (BFH V R 17/23) wurde von dem BRRS-Partner Dr. Stephan Schlegel erstritten.

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